Cricosaurus bambergensis aus Wattendorf

Skelett von Cricosaurus bambergensisaus den Plattenkalken von Wattendorf vor schwarzem Hintergrund

Ein Meereskrokodil aus den Plattenkalken des Oberjura von Franken

Das Naturkunde-Museum Bamberg führt regelmäßig Grabungen in einem Steinbruch bei Wattendorf im Landkreis Bamberg durch, in dem Plattenkalke aus dem Oberjura freiliegend. Diese Plattenkalke ähneln dem lithographischen Schiefer des Altmühltals, der für ikonische Fossilien wie Archaeopteryx lithographica, Compsognathus longipes und zahlreiche gut erhaltene Flugsaurierfunde bekannt ist.

Ventralansicht auf den Schädel von Cricosaurus bambergensis aus dem Oberjura von Wattendorf
Schädel und Unterkiefer von Cricosaurus bambergensis in Ventralansicht

Ähnlich wie die Plattenkalke des Altmühltals, wurden auch jene in Wattendorf als Teil einer großen Lagune abgelagert, deren Lebensraum sich vermutlich mit den heutigen Bahamas vergleichen lässt. Am 5. Juni 2014 entdeckte das Team des Naturkunde-Museums Bamberg ein nahezu vollständiges Skelett eines Meereskrokodils (Thalattosuchia), dessen Schwanz offenbar abgetrennt worden war. Das Exemplar wurde ins Museum gebracht, dort präpariert und später im Rahmen der Ausstellung zur Wattendorfer Lagune der Öffentlichkeit präsentiert (Mäuser, 2014).

Studie von Sven Sachs, Mark T. Young, Pascal Abel und Heinrich Mallison

Im Jahr 2017 untersuchten wir den Fund aus Wattendorf. Wir fanden heraus, dass es sich bei dem Fossil um eine Art der Gattung Cricosaurus handelt. Cricosaurus war ein Vertreter der Thalattosuchia (Meereskrokodile), einer Gruppe von marinen Krokodilverwandten. Innerhalb der Thalattosuchia gehörte die Gattung der Familie Metriorhynchidae an. Cricosaurus war bereits von anderen Fundorten in Süddeutschland bekannt, wurde aber auch in Mexiko und Argentinien nachgewiesen (Frey et al., 2002; Young & Andrade, 2009; Herrera et al., 2013). Unsere detaillierte Untersuchung ergab, dass das Exemplar aus Wattendorf anatomische Merkmale zeigt, die bisher bei keinem anderen fossilen Meereskrokodil beschrieben worden sind. Hierzu gehört eine besondere Struktur des Gaumens, wo zwei Vertiefungen ausgebildet sind, die durch einen Kiel voneinander getrennt werden. Wozu diese Vertiefungen dienten, ist uns noch nicht klar. Der Schwanz des neuen Cricosaurus zeigte auch ein einzigartiges Mosaik an Merkmalen. Bei den Metriorhynchoidea (der übergeordneten Einheit innerhalb der Thalattosuchia, zu der auch die Familie der Metriorhynchidae gehört) gibt es im Skelett zahlreiche Anpassungen an eine pelagische Lebensweise. Eine der auffälligsten Anpassungen ist der hypocercaler Schwanz (dies bedeutet, dass eine Krümmung am Schwanzende ausgebildet ist und der unteren Schwanzlappen ausgeprägter ist, als der obere). Der erste Nachweis für einen Thalattosuchier mit Schwanzkrümmung findet sich im späten Toarcium bei Magyarosuchus fitosi aus Ungarn (Ösi et al., 2018), der zwar zu den Metriorhynchoidea, aber noch nicht zur Familie der Metriorhynchidae selbst gezählt wird. Innerhalb der Metriorhynchidae weisen alle bekannten Formen einen gut entwickelten hypocercaler Schwanz auf und es fehlen Osteoderme, die bei Magyarosuchus noch zu finden sind (Fraas, 1902; Andrews, 1913; Young et al., 2010). Der Schwanz von Cricosaurus bambergensis ist interessant, da er eine morphologische Lücke zwischen basalen Vertretern der Metriorhynchidae (wie Thalattosuchus  superciliosus) und Arten mit längeren und prägnanteren Schwanzkrümmungen (wie Cricosaurus suevicus, siehe unten) füllt.

Nahaufnahme des Gaumen von Cricosaurus bambergensis
Nahaufnahme des Gaumens von Cricosaurus bambergensis. Die charakteristischen Vertiefungen wurden hervorgehoben
Schwanzknick von Cricosaurus bambergensis
Schwanzknick von Cricosaurus bambergensis

Vergleich zu anderen Arten von Cricosaurus aus Süddeutschland

Unsere phylogenetische Analyse, die zeigt, wo der neue Fund im Stammbaum einzuordnen ist, hat eine enge Verwandtschaft zu zwei anderen Cricosaurus-Arten aus Süddeutschland ergeben, Cricosaurus elegans aus den Solnhofener Plattenkalken und Cricosaurus suevicus aus Nusplingen im Baden-Württemberg. Beide Arten weisen jedoch deutliche Unterschiede zum Fund von Wattendorf auf, sowohl in der Form des Gaumens, als auch in jener der Schwanzflosse.

Schädel von Cricosaurus elegans (BSPG AS I 504) in ventraler Ansicht. Sammlung der Bayerische Staatssammlung für Paläontologie und Geologie in München
Schädel von Cricosaurus elegans (BSPG AS I 504) in ventraler Ansicht. Sammlung der Bayerische Staatssammlung für Paläontologie und Geologie in München

Die einzigartigen Merkmale des Exemplars aus Wattendorf ermöglichten es uns, es als neue Art zu beschreiben. Wir haben uns entschieden, diese Art nach der Stadt Bamberg zu benennen, da das Exemplar vom Team des Museums Bamberg gefunden, wo es auch ausgestellt ist und da der Fundort Wattendorf im Landkreis Bamberg liegt. Unsere Studie zum Cricosaurus aus Wattendorf wurde am 4. April 2019 in der Fachzeitschrift Acta Palaeontologica Polonica veröffentlicht (Sachs et al., 2019).

Cricosaurus suevicus (SMNS 9808) aus Nusplingen im Staatliches Museum für Naturkunde in Stuttgart
Skelett des Lectotypus von Cricosaurus suevicus (SMNS 9808) im Staatliches Museum für Naturkunde Stuttgart

Andere Meereskrokodile in der Wattendorfer Lagune

Die Gattung Cricosaurus umfasst eher kleine und schlanke Metriorhynchiden, die sich wahrscheinlich von schnell schwimmenden Beutetieren wie Tintenfischen und Fischen ernährten. Neben unterschiedlichsten Fischen teilte Cricosaurus bambergensis seinen Lebensraum auch mit verschiedenen Schildkröten, Pleurosauriern und anderen Meereskrokodilen wie den großwüchsigen Gattungen Dakosaurus und Geosaurus. Ein solche „Nischenaufteilung” von verwandten Arten, die aufgrund einer unterschiedlichen Lebensweisen in der gleichen Umgebung nebeneinander existieren konnten, wurde auch für die Meereskrokodile aus dem Altmühltal beschrieben (z. B. Wagner, 1858; Fraas, 1902; Frickinger, 1994; Young & Andrade, 2009; Andrade et al., 2010).

Cricosaurus Lebendrekonstruktion von Joschua Knüppe
Lebendrekonstruktion von Cricosaurus, gemalt von Joschua Knüppe
LiteraturAndrade, M.B, Young, M.T., Desojo, J.B. & Brusatte, S.L. (2010). The evolution of extreme hypercarnivory in Metriorhynchidae (Mesoeucrocodylia: Thalattosuchia) based on evidence from microscopic denticle morphology. Journal of Vertebrate Paleontology 30 (5), 1451–1465.Andrews, C.W. (1913) A descriptive Catalogue of the Marine Reptiles of the Oxford Clay, Part II. 206 pp. British Museum (Natural History), London.Fraas, E. (1902) Die Meer-Krocodilier (Thalattosuchia) des oberen Jura unter specieller Berücksichtigung von Dacosaurus und Geosaurus. Palaeontographica 49, 1-72.Frey, E., Buchy, M.-C., Stinnesbeck, W. & López Oliva, J.G. (2002) Geosaurus vignaudi n.sp. (Crocodyliformes: Thalattosuchia), first evidence of metriorhynchid crocodilians in the Late Jurassic (Tithonian) of centraleast Mexico (Puebla). Canadian Journal of Earth Sciences 39, 1467-1483.Frickinger K.A. (1994) Die Fossilien von Solnhofen / The Fossils of Solnhofen. Goldschneck Verlag, Korb, 336 pp.Herrera, Y., Gasparini, Z., & Fernandez, M.S. (2013) A new Patagonian species of Cricosaurus (Crocodyliformes, Thalattosuchia): first evidence of Cricosaurus in Middle–Upper Tithonian lithographic limestones from Gondwana. Palaeontology 56, 663-678.Mäuser, M. (2014) Frankenland am Jurastrand. Pfeil Verlag, München, 60 pp.Ősi, M., Young, M.T., Galácz, A. & Rabi, M. (2018) A new large-bodied thalattosuchian crocodyliform from the Lower Jurassic (Toarcian) of Hungary, with further evidence of the mosaic acquisition of marine adaptations in Metriorhynchoidea. PeerJ 6: e4668.Sachs, S., Young, M.T., Abel, P. & Mallison, H. (2019) A new species of metriorhynchid crocodylomorph Cricosaurus from the Upper Jurassic of southern Germany. Acta Palaeontologica Polonica 64Young, M.T. & Andrade, M.B. (2009) What is Geosaurus? Redescription of Geosaurus giganteus (Thalattosuchia: Metriorhynchidae) from the Upper Jurassic of Bayern, Germany. Zoological Journal of the Linnean Society 157, 551-585.Young, M.T., Brusatte, S.L., Ruta, M. & Andrade, M.B. (2010) The evolution of Metriorhynchoidea (Mesoeucrocodylia, Thalattosuchia): an integrated approach using geometric morphometrics, analysis of disparity and biomechanics. Zoological Journal of the Linnean Society 158, 801-859.Wagner, A. (1858) Zur Kenntniss der Saurier aus den lithographischen Schiefern. Abhandlungen der Mathemathisch-Physikalischen Classe der Königlich Bayerischen Akademie der Wissenschaften 8, 415-528.
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